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Wenn Kommunalpolitik zur Farce wird …

„Das Projekt soll verhindert werden“ stellt Angelika Lindner für die CDU fest, so der NW-Beitrag „Diskussion über Grundstück in Lipperreihe“ vom 22.06.2021. Sie meint das Projekt „Wohnen an der Schulstraße“.

Das stimmt, ich möchte sogar weiter gehen: Das Projekt muss verhindert werden – zumindest in dieser Form. Dieser Zusatz ist ganz wichtig, denn ich kenne niemanden, der grundsätzlich gegen eine Pflegeeinrichtung auf der Pollmannswiese wäre. Es geht um die Ausformung des Projekts, die kritisiert wird. Die geplante Anzahl von Wohneinheiten ist für die Fläche schlicht zu hoch. Egal wie man nun das hierfür zu umbauende Volumen auf der Fläche verschiebt, … immer sind die Bauten zu massiv für die umliegende Wohnbebauung, sind sie zu hoch, gibt es zu wenig Parkplätze – vor allem Behindertenparkplätze, ist der Versiegelungsfaktor zu hoch, sind die Schüler auf dem Schulweg durch den Bau stark gefährdet, wird ein Verkehrschaos an der Schulstraße provoziert, usw.

Angelika Lindner kennt diese Argumente ganz genau, hat sie und die CDU diese doch exakt so bis zum September 2020 vertreten, um das Projekt in dieser Form zu verhindern. Das ist in der bereits gelaufenen öffentlichen Beteiligung, Pressemitteilungen und Ratsunterlagen deutlich nachzulesen und somit nachweisbar. Die CDU hat versucht, die öffentliche Ausschreibung des Schulgrundstücks durchzusetzen. Damit ist sie gescheitert. Auch hat die CDU versucht, Alternativen zur geplanten Bebauung aufzubieten, nachdem sich wegen der Pressemitteilung ein Interessent gemeldet hatte. Auch damit ist man gescheitert, weil sich die Verwaltung schlicht geweigert hat, sich mit dem Interessenten auseinanderzusetzen. Am 15.06.2020 wurde der folgende Beitrag auf der Webseite der CDU Oerlinghausen veröffentlicht:

„Wohnen an der Schulstraße

Pflege- und Senoireneinrichtung Lipperreihe

Das Projekt hört sich harmlos und am Gemeinwohl orientiert an, ist es aber nicht. Dahinter steckt ein Bebauungsplan für ein Bauprojekt, bei dem nur eine Devise gilt: Das Maximum oder nichts. In jeder Dimension ist das Gebäude zu lang, zu hoch und zu laut.

Und sogar die potentiellen Gefahren bei Fußgänger und Schulkindern bleiben unberücksichtigt. Die geplante Lärmschutzwand von über 40 m direkt am Fuß- und Schulweg im Bereich der Ein- und Ausfahrt schafft ein potentielles Risiko für jeden Passanten der sich in diesem Bereich aufhält.
Die Proteste der Anwohner und die Eingaben verhallen indes ungehört. Gegen die Stimmen der CDU und der Anwohner soll das Projekt im Rat von SPD und FDP dennoch „durchgepeitscht“ werden- ohne Augenmaß und Rücksicht.
Die Abgabefrist für Einwände gegen diesen Bebauungsplan endete zwar erst am 9.6.2020, doch bereits 2 Tage später um 17 Uhr hatte die Verwaltung diese Einwände schriftlich beurteilt und weggewogen, also abgelehnt. Und in der kommenden Woche soll der Rat endgültig darüber entscheiden. Warum so eilig?
Wir finden es schade, dass eine so gute und für die Allgemeinheit wichtige Idee, Seniorenwohnungen und eine Tagespflege zu errichten, nicht in ansprechender und in die Umgebung passender Bebauung und vor allem ohne Berücksichtigung der Einwände der Anwohner durchgesetzt wird. Vorschlag: Mehrere Wohnhäuser, Tiefgarage und viel Bäume und Pflanzen.
Nicht dass wir uns falsch verstehen: Wir begrüßen die Erstellung von Seniorenwohnungen und Tagespflege grundsätzlich, wenden uns aber entschieden gegen die Art und Weise wie sie erstellt werden sollen.

Erhielt das Projekt in der Ratssitzung am 15.11.2018 das Etikett „soziales Projekt“, so entpuppt es sich spätestens jetzt – bei den Begründungen zur Ablehnung der Eingaben so deutlich formuliert- dass eben keine der Allgemeinheit zugutekommenden Komponenten, wie z.B. Mietpreisbindung, in diesem Projekt verankert sind. Liegt ein Etikettenschwindel vor?

Die CDU-Fraktion wird dieser Form der Planung nicht zustimmen. Wir haben jedoch die Hoffnung nicht aufgegeben, dass sich auch der Rat für eine umgebungsverträgliche Bebauung ausspricht und werden uns hierfür stark machen!” [https://www.cdu-oerlinghausen.de/lokalas_1_4_24_Wohnen-an-der-Schulstrasse-.html]

Ein weiterer Beitrag vom gleichen Datum:

„Pflege-und Senioreneinrichtung Lipperreihe – Rückblick

Momentan sollen die Pläne für die Senioreneinrichtung in Lipperreihe beschlossen werden. Da lohnt sich ein Rückblick auf die Anfänge des Projektes.

  • Vorstellung der Stadtteilentwicklung am Standort der Grundschule Lipperreihe in der Ratssitzung am 15.11.2018
    Errichtung einer Wohn- und Pflegeeinrichtung für Senioren am Standort der Grundschule Lipperreihe
    Ein Architekt stellt 2 Varianten vor:
    Variante 1: nur Bebauung des privaten Grundstücks neben der Grundschule ( im Bebauungsplan als Spielplatzfläche ausgewiesen)
    Variante 2: Einbeziehung von einer Teilfläche der Grundschule Lipperreihe (ca. 2600 m²)
    Die CDU spricht sich für Variante 1 aus; Aufgabe der Spielplatzfläche, keine Aufgabe der Schulfläche. Schulfläche soll als Vorratsfläche im städtischen Eigentum bleiben. Der Rat beschließt mehrheitlich die Variante 2 unter Einbeziehung des Schulgeländes.
  • Im Bauausschuss am 6.2.2019 wird dem Antrag von Herrn Güttler zur Einleitung der Änderung des Bebauungsplans „Grundschule Lipperreihe“ für die große Lösung (Variante 2) gegen die Stimmen der CDU mehrheitlich stattgegeben.
    Die Nachfrage ob die Beantragung der BPlan-Änderung präjudizierend für den Erwerb der städtischen Fläche (Schulgelände) sei, wird verneint.
  • Die CDU beantragt am 12.2.2019 eine öffentliche Ausschreibung für das städtische Schulgrundstück und veröffentlicht eine Pressemitteilung zur Transparenz beim städtischen Grundstücksverkauf.
  • Am 28.2.19 meldet sich per Mail ein Interessent für die städtische Fläche (plus Hausmeisterhaus) beim Bürgermeister, der sich auf die Pressemitteilung bezieht. Im  Mailverkehr wurden Empfänger-Mailadressen und das Kaufangebot aus Datenschutzgründen geschwärzt.
  • Die Fraktionen sind über den weiteren Interessenten für städtische Fläche (plus Hausmeisterhaus)  informiert.
  • Im Hauptausschuss am 28.2.19 erklärt der Bürgermeister, dass die Verwaltung nicht damit beauftragt wurde, nach weiteren Investoren zu suchen. Die öffentliche Ausschreibung wird gegen die Stimmen der CDU abgelehnt.
  • Im Rat am 28.3.19 wird die öffentliche Ausschreibung gegen die Stimmen der CDU erneut abgelehnt.
    Die CDU lehnt den Verkauf des Schulgrundstücks ab.
    Im Bauausschuss am 26.6.19 wird der Entwurfsbeschluss zur  Änderung des Bebauungsplans 03/02 „Grundschule Lipperreihe“ für die große von Herrn Güttler beantragte Lösung beschlossen. Darin enthalten ist eine Vergrößerung des geplanten Gebäudes für die Pflegeeinrichtung.
    Die CDU hat sich enthalten mit folgender zu Protokoll gegebener Erklärung:
    ‚Um Missverständnisse zu vermeiden möchten wir zu Protokoll geben, dass wir die Notwendigkeit und den Wunsch vieler Lipperreiher Bürger, im Alter ihren Ortsteil nicht verlassen zu müssen, voll unterstützen. Die Errichtung einer Seniorenresidenz mit Pflegeplätzen und betreutem Wohnen ist für Lipperreihe eine begrüßenswerte Stadtentwicklung. Diese Pläne haben wir bereits bei den Stadtteil-Gesprächen unterstützt.
    Gleichwohl ist unserer Meinung nach der Verkauf des Schulgeländes dafür nicht notwendig gewesen.‘“ [https://www.cdu-oerlinghausen.de/lokalas_1_4_23_Pflege-und-Senioreneinrichtung-Lipperreihe–Rueckblick.html]

Aber nun aber ist offenbar alles anders. Die Fakten sind es jedoch nicht, die haben sich nicht geändert. Nach der Kommunalwahl 2020 wurde offenbar eine Vereinbarung zwischen SPD und CDU getroffen. Die CDU darf nun „mitspielen“ und damit setzte augenblicklich ein Anfall „politischer Amnesie“ ein. Plötzlich muss man bei der CDU auch an die eigenen Anträge erinnert werden und setzt sich für ein Projekt ein, dass man zuvor aus guten Gründen in der geplanten Form bekämpft hat. Es ist diese Form von Scheinheiligkeit und mangelnder Standfestigkeit, die für die Bürger Oerlinghausens Kommunalpolitik definiert. Und da wundert sich einer über den schlechten Ruf von Politik im Allgemeinen und Kommunalpolitik im Besonderen? Wirksamer kann man einen totalen Vertrauensverlust beim Bürger kaum herbeiführen.

Die entscheidende Frage in diesem Zusammenhang ist jedoch: Woher stammt die Fixierung der Verwaltung auf genau einen Investor? Diese Fixierung existierte von Anfang an. Es beginnt bereits im Hauptausschuss am 11.10.2018, als das Projekt erstmalig öffentlich vorgestellt wurde. Zwei Varianten wurden im Hauptausschuss gezeigt, der Bürgermeister präferierte Variante 2. Variante 1 (nur Gemeinfläche=Pollmannwiese) datiert vom 19.08.2018, Variante 2 (Gemeinfläche + Schulgelände) vom 02.10.2018. Variante 2 wurde offenbar nachgereicht, denn die Ausschussunterlagen stammen vom 26.09.2018.

Der Ratsbeschluss vom 28.03.2019 verdeutlicht die Position des Bürgermeisters und seine Rolle in der Umsetzung des Projektes mit genau diesem einen Investor und in der von ihm selbst vermutlich initiierten und nachgeschobenen Variante 2.

 

Beschluss
Ratsinformationssystem Oerlinghausen

Peter Heepmann wird in der NW zitiert mit einer an den IO gerichteten Frage: „Sie stellen ernsthaft hier einen Antrag, einen Teil des Schulhofes der Grundschule Lipperreihe zum bestmöglichen Verkaufspreis zu veräußern.“ Diese Entrüstung ist aus meiner Sicht lachhaft, wird doch aus den Ratsunterlagen deutlich, dass er selbst und die SPD immer für die große Lösung und damit den Verkauf des Schulgrundstücks – zu einem ungenannten „Freundschaftspreis“ – gestimmt hat.

Ziel einer öffentlichen Ausschreibung des Schulgeländes war damals und ist auch noch heute, einen Ideenwettstreit für die beste Lösung für die Bebauung des Geländes zu erreichen und die Fixierung auf einen Investor zu beenden. Das muss im Interesse aller sein. Das ist mein Verständnis des damaligen Antrags der CDU, wie auch des aktuellen, nahezu wortgleichen IO Antrags. Und die CDU und die anderen Fraktionen können oder wollen sich nicht erinnern? Peinlicher geht es wohl nicht.

Wohlgemerkt, ein Ergebnis eines solchen Wettbewerbs, so man ihn denn zulassen würde, könnte auch sein, dass die beste und verträglichste Bebauungslösung ohne das städtische Gelände auskommt und das Gelände bei der Stadt verbleibt, wo es bei den in Zukunft erwarteten Schülerzahlen auch dringend benötigt werden wird. Das wäre für mich die Ideallösung. Aber das kann nur erreicht werden, wenn es irgendwie gelingt, die Fixierung der Verwaltung zu beenden.

Dass die aktuelle Bebauungsplanung faktisch keine gute Lösung ist, habe ich oben bereits im Überblick festgestellt. Trotzdem wird sie stoisch weiter von der Verwaltung verfolgt. Welche Interessen steuern dieses Verhalten? Das muss man sich langsam wirklich fragen. Ein Interesse an einer guten und für die Anwohner verträglichen Lösung ist es jedenfalls nicht. Wenn also nun die SPD-Fraktion, die sich augenscheinlich ziemlich fest im Griff des Bürgermeisters befindet, in der Person von Peter Heepmann das Projekt als Stadtentwicklung bezeichnet und sagt: „Dieser Aufgabe fühlen wir uns als Sozialdemokraten in Oerlinghausen, und zwar in allen Teilen unserer Stadt, verpflichtet. Wir machen keine Klientelpolitik.“, dann wirft er dem IO damit indirekt eine solche vor, weil sie angeblich die Bebauung der Pollmannswiese mit allen Mitteln verhindert wollen. Aber welche Klientel soll das sein?

Dieser Vorwurf wirkt aus meiner laienhaften Sicht wie „Projektion“, wenn wir sowieso in diesem Beitrag schon „Amnesie“ diagnostiziert haben:

„Projektion bezeichnet in der Psychoanalyse allgemein – und von Schulen unabhängig – einen Abwehrmechanismus. Der Begriff Projektion umfasst das Übertragen und Verlagern innerpsychischer Inhalte oder eines innerpsychischen Konfliktes durch die Abbildung eigener Emotionen, Affekte, Wünsche, Impulse und Eigenschaften, die im Widerspruch zu eigenen und/oder gesellschaftlichen Normen stehen können, auf andere Personen, Menschengruppen, Lebewesen oder Objekte der Außenwelt. Die „Abwehr“ besteht dabei darin, dass durch Projektion vermieden wird, sich mit Inhalten bei sich selbst auseinanderzusetzen, die man beim anderen sieht.“ [https://de.wikipedia.org/wiki/Projektion_%28Psychoanalyse%29, Hervorhebung AO]

Das Projekt „Wohnen an der Schulstraße“ in der Wunschvorstellung des Bürgermeisters, der Verwaltung und der „angeschlossenen“ Fraktionen entwickelt zunächst mal nur das Konto des Vermittlers und später der Firma Portarion. Es nimmt keinerlei Rücksicht auf die Anwohner und die Schüler auf dem Schulweg. Wenn das keine „Klientelpolitik“ ist, was dann? Jedenfalls ist das „Stadtteilentwicklung“ wie sie nicht sein darf.

So wird Kommunalpolitik in Oerlinghausen zur Farce und man kann denen, die inzwischen offen von der „Bananenkommune Oerlinghausen“ sprechen, nur beipflichten.

Korrektur: Die Beiträge der CDU wurden nicht gelöscht, wie zunächst von mir angenommen, da ich sie über die Suchfunktion der Webseite nicht mehr fand, aber wusste, dass sie mal existiert hatten. Dank an Angelika Lindner, die mir half, sie wiederzufinden.

 

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