Skip to content Skip to main navigation Skip to footer

Sieht so “frühzeitige Bürgerbeteiligung” aus?

Am 17.06.2020 nahmen Vertreter der Fraktionen der FDP, der SPD, der Grünen und der CDU im Bauausschuss Stellung zu der Bebauungsplanänderung „Wohnen an der Schulstraße“. Aus den Stellungnahmen ergab sich, dass noch weiterer Beratungs- und Überarbeitungsbedarf besteht. Der Beschlussvorschlag der Vorlage wurde geändert. Vorhergegangen waren Proteste der Bevölkerung gegen die im 2. Planungsversuch gewählte Lösung.

Beschluss:

Der Vorgang „Aufstellung des vorhabenbezogenen Bebauungsplans“ wird zurück in den Planungsprozess gegeben.

Folgende Zielvorgaben sollen seitens der Verwaltung mit dem Investor diskutiert und gelöst werden:

  1. Komplexität der Baukörper
  2. Stellplatzsituation und Verkehrssituation
  3. Schallschutzmauer

Auf weitere engere Einschränkungen und Zielvorgaben soll verzichtet werden, um eine möglichst offene Diskussion zur Lösungsfindung führen zu können. Nach Erarbeitung einer neuen baulichen Lösung kann das Projekt erneut dem Bauausschuss vorgestellt werden.

Eine frühzeitige Bürgerbeteiligung wird eingeplant.
[Protokoll der BA-Sitzung vom 17.06.2020, Hervorhebung ao]

Insbesondere der letzte Satz ist interessant. Die Erwähnung der Einplanung einer „frühzeitigen Bürgerbeteiligung“ bedeutet meiner Meinung nach, dass hier etwas passieren soll, was über die standardmäßige „frühzeitige“ (und obligatorische!) Bürgerbeteiligung durch Offenlegung nach § 3 BauGB hinausgeht. Andernfalls hätte man das nicht extra zu erwähnen brauchen.

Die Erwartungshaltung vieler Bürger ist dementsprechend, in eine „möglichst offene Diskussion zur Lösungsfindung“ frühzeitig eingebunden zu werden. Wir müssen jetzt feststellen, dass die Verwaltung dieses anders sieht. Die Verwaltung argumentiert:

Die Ausarbeitung eines Entwurfskonzepts, das die o.g. Vorgaben erfüllt, würde die neue Basis und den Ausgangspunkt für die nachfolgenden Verfahrensschritte im vorhabenbezogenen Bebauungsplanverfahren bilden.

Diese Vorgehensweise trägt dazu bei, eine zielgerichtete Diskussion, im noch laufenden planungsrechtlichen Verfahren zu ermöglichen. Diese Ansätze werden derzeit erarbeitet und werden voraussichtlich im Bauausschuss Anfang 2021 als Vorentwurf vorgestellt.

Bei positiver Beschlusslage bildet dieser Vorentwurf die Grundlage für eine frühzeitige Bürgerbeteiligung gemäß § 3 (1) BauGB. Dies entspricht ebenfalls der Beschlusslage vom 17.06.2020.

In der frühzeitigen Bürgerbeteiligung wird auch der Öffentlichkeit Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Aus Sicht des FB 4 entspricht diese Vorgehensweise der o.g. Beschlusslage aus der Sitzung vom 17.06.2020 und bildet eine rechtssichere Fortsetzung des Planverfahrens.
[Plaßmann, 11.12.2020]

Der § 3 (1) BauGB besagt:

(1) Die Öffentlichkeit ist möglichst frühzeitig über die allgemeinen Ziele und Zwecke der Planung, sich wesentlich unterscheidende Lösungen, die für die Neugestaltung oder Entwicklung eines Gebiets in Betracht kommen, und die voraussichtlichen Auswirkungen der Planung öffentlich zu unterrichten; ihr ist Gelegenheit zur Äußerung und Erörterung zu geben. Auch Kinder und Jugendliche sind Teil der Öffentlichkeit im Sinne des Satzes 1. Von der Unterrichtung und Erörterung kann abgesehen werden, wenn

  1. ein Bebauungsplan aufgestellt oder aufgehoben wird und sich dies auf das Plangebiet und die Nachbargebiete nicht oder nur unwesentlich auswirkt oder
  2. die Unterrichtung und Erörterung bereits zuvor auf anderer Grundlage erfolgt sind.

An die Unterrichtung und Erörterung schließt sich das Verfahren nach Absatz 2 auch an, wenn die Erörterung zu einer Änderung der Planung führt.
[https://dejure.org/gesetze/BauGB/3.html]

Die Verwaltung behandelt selbst nach zwei Planungsfehlschlägen in dieser Sache den Fall wie alle anderen auch und entwickelt eine Lösung mit „möglichst offener Diskussion“ im stillen Kämmerlein ohne Bürgerbeteiligung. Wer findet den Fehler im Satz?

Die Stellungnahmen zum 1. und 2. Planungsversuch haben klar verdeutlicht, dass die Bürger eine Lösung erwarten, welche

  • die höchstzulässige Gebäudelänge von 50 m nicht nur nicht überschreitet (§ 22 BauNVO für offene Bauweise), sondern diese wünschenswerterweise sogar großzügig unterschreitet,
  • die Gebäudehöhe auf maximal 2 Stockwerke begrenzt (in die umgebende Wohnumgebungsbebauung passend),
  • einen Stellplatzfaktor von mindestens 1 vorsieht und ebenfalls Personal- und Besucherparkplätze berücksichtigt,
  • Schallschutzmaßnahmen berücksichtigt, die nicht verkehrsgefährdend sind.

Das sind meiner Ansicht nach die primären Parameter für eine Lösungssuche. Wenn der Investor diesen Anforderungen nicht nachkommen kann oder will, dann sollte er sich überlegen, ob es nicht besser ist, von dem Projekt zurückzutreten und die Planung und Umsetzung anderen zu überlassen, die Willens sind, diese Anforderungen zu erfüllen. Vorverträge können rückabgewickelt, bereits gekaufte Grundstücke können ggf. weiter veräußert werden, usw.

Desweiteren besteht der Wunsch, das städtische Grundstück (528) nicht zu veräußern und zu überbauen. Stattdessen soll der Schulhof der Grundschule in seiner bisherigen Größe erhalten bleiben, um eine – angesichts der neuen Baugebiete – in Zukunft zu erwartende erneute Zweizügigkeit des Grundschulstandortes nicht zu gefährden.

Der entscheidende Punkt ist, dass es mindestens ein alternatives Bauprojekt für den Standort gibt, welche die oben genannten Bedingungen kennt und diese erfüllen will. Die Bürger und die Verwaltung sind nicht auf den bisherigen Investor angewiesen.

Außerdem besteht die Erwartungshaltung der Anwohner, dass die bereits prekäre Verkehrssituation an der Schulstraße (die sich durch den Einzug der Musikschule noch verschlimmern wird) durch vorbereitende Maßnahmen der Verwaltung und der Stadt entschärft wird, bevor ein Bauprojekt auf der „Zirkuswiese“ umgesetzt werden kann.

Da braucht es dann auch nicht zu verwundern, dass ein Antrag der Initiative Oerlinghausen im gestrigen (16.12.2020) Bauausschuss eben diese „versprochene“ außerordentlich frühzeitige Bürgerbeteiligung nun endlich anzustoßen, von der Tagesordnung genommen wurde. Die Begründung der Absetzung (nicht nur für diesen Punkt) erschien mir fadenscheinig und vorgeschoben. Die Unterlagen für die Bauanträge und Bauanfragen waren teilweise nicht gut vorbereitet – höflich formuliert. Hier hätte man mit besserer Vorbereitung, die Zeit für drei kurze Abstimmungen sicher herausgeholt.

Zurück zum Anfang