Skip to content Skip to main navigation Skip to footer

Wenn die Werkstatt zur Kirche geht

NW, Horst Biere. In Lipperreihe bringt die Heimatwerkstatt die Menschen mit Geschichtsinteresse zusammen. Ein vielseitiger Abend beleuchtet jetzt alte Höfe, Krüge und vor allem Menschen aus der Senne.

Oerlinghausen. Eine ausgesprochen abwechslungsreiche Geschichte besitzt Lipperreihe – das wurde auf einem Abend voller Historie und Heimatgeschichten deutlich, zu dem die Heimatwerkstatt Lipperreihe in die Kirche eingeladen hatte. Vor vollem Haus stellte Manuela Outiti, die Leiterin der Werkstatt, eben diese beachtliche Entwicklung Lipperreihes zu einem bedeutenden Oerlinghauser Ortsteil dar. „Nackt, öde, traurig, nur mit dünnem Heidekraut und Moosen bewachsen“, so habe sich die Senne um 1800 den Zeitgenossen gezeigt, meinte sie. Doch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts „erfuhr die Einstellung zu Natur und Heideland eine Wendung zum Positiven“, sagte sie. Nicht zuletzt durch die Wanderungen des Dichters Hermann Löns, der die „herbe Senne“ in seiner „Frau Einsamkeit“ liebevoll verklärt habe, wodurch für ihn die Senne zum „Erlebnis“ wurde.

Dann beschrieben Margot Foest, Werner Höltke und Werner Nowak vom Heimatverein Oerlinghausen in wechselnden Beiträgen die Geschichte der sogenannten Lippischen Reihe. Ein Ort „größer als die Gemeinde Oerlinghausen“ sei Lipperreihe gewesen, sagte Werner Nowak. Die Sennegemeinde habe das Bergdorf im Westen und Süden völlig umschlossen. Man lebte vor allem von der Landwirtschaft „Um 1900 gab es in Lipperreihe 37 Landwirte und 37 Ziegler“, rechnete Nowak vor. Erst im Jahre 1971, im Zuge der kommunalen Reform, seien Lipperreihe und Oerlinghausen (mit Helpup) zu einer Stadt zusammengeführt worden.

Über die Zeit des Zweiten Weltkriegs und die Aufbaujahre nach dem Krieg referierte Werner Höltke. Paul Stecker, Lehrer der Lipperreiher Volksschule, habe ausführlich über die schweren Jahre berichtet, sagte er. So sei es Steckers Aufgabe in der Kriegszeit gewesen, den Frauen der Gemeinde die Nachricht vom Tode ihrer Männer zu überbringen, erzählte Höltke. Alle Familien hätten sich davor gefürchtet, wenn Paul Stecker durchs Dorf gegangen sei, dass er auch bei ihnen anklopfe. Der Dorfschullehrer wurde auch nach Ende der Kämpfe, die übrigens in Lipperreihe nicht so schlimm verliefen wie in Oerlinghausen, gefordert, gemeinsam mit den Amerikanern das Lipperreiher Leben neu zu organisieren. Besonders hob Werner Höltke die Rolle des ersten Lipperreiher Nachkriegs-Bürgermeisters August Prante hervor. „Schwere Zeiten waren es für ihn, als er für die Unterbringung von Flüchtlingen aus dem deutschen Osten sorgen musste“, beschrieb er die Situation. Doch als man später nachrechnete, stellte man fest, dass in der Zeit als August Prante Bürgermeister war, sich Lipperreihe zur am schnellsten gewachsenen Gemeinde im Kreis Lippe entwickelt hatte. „Eine Ehrung wurde ihm nach seinem Tode zuteil“, führte er aus, „man stellte einen Gedenkstein zur Erinnerung an August Prante auf einer kleinen Grünfläche am Eingang von Wellbachstraße und Teichstraße auf“.

Aus dem brennenden Pollmanskrug wird der Schnaps gerettet

Der damalige Bürgermeister Martin Weber sagte seinerzeit: „Es war ein Glücksfall für Lipperreihe, dass der Ort in schwieriger Zeit einen August Prante hatte.“

Über die frühere Besiedlung der Lippischen Reihe entlang des Menkebaches sprach Margot Foest. So stellte sie die Hofbesitzer Kindsgrab („Kingsgraff“), Topsiek, sowie die Kruginhaber Jakobskrüger, Bartholdskrüger und auch den Pollmannskrug vor. „Vor allem am Bartholdskrug , der 1713 an der lippisch-preußischen Grenzstation erbaut wurde, haben sich bis zum Jahre 1842 viele Schmuggelgeschichten abgespielt.“ Die Schmuggelgüter Kaffee, Tee und Gewürze wurden vom lippischen Weserhafen Erder zum Bartholdskrug transportiert und dann hier bei Nacht und Nebel von Trägern ins „Preußische“ transportiert. Die blanke Not habe viele Menschen zu diesen Schmuggeldiensten getrieben. Denn die kümmerlichen Ernten in der Senne und die Verarmung der Hausweber führten zum Schritt in die Illegalität. Doch sie beschrieb auch die Fortschritte des Dorfes: „Für die vom Amt Oerlinghausen verwaltete Lippische Reihe war es ein Fortschritt, als der Fabrikant Tenge in Dalbke eine Papierfabrik bauen ließ und einige Männer dort Arbeit fanden“, sagte sie.

Die Entwicklung des Pollmannskruges beschrieb Werner Höltke. „Im Jahre 1721 wurde der Pollmannskrug gebaut“, berichtete er. „Als die Stätte in einer Februarnacht des Jahres 1880 abbrannte, wurde laut Chronik nur der Schnaps in Sicherheit gebracht.“ Den Krug hätten die angetrunkenen Lipperreiher dagegen abbrennen lassen. Nach dem Wiederaufbau sei der Pollmannskrug nicht nur ein Dorfmittelpunkt, sondern vor auch ein beliebtes Ausflugsziel gewesen. Und er fuhr fort: „Der mit einem Saal, einer Kegelbahn und einem Kinderspielplatz ausgestattete Krug hat manche fröhliche Feier gesehen.“ Das Ende des Pollmannskruges, in dem zum Schluss eine Diskothek untergebracht war, wurde erst in unseren Jahren eingeläutet. „Nachdem er mehrere Jahre leer stand, wurde er 2004 abgerissen“, fasste Werner Höltke zusammen.

Foto: Horst Biere. Teilnehmende der Heimatwerkstatt Lipperreihe, die sich jeden 1. Donnerstag im Monat ab 16:00 Uhr im AWO-Stratehaus treffen. Isolde Barber(v.l.), Reinhild Ende, Elisabeth Mösenmeier, Margret Vogt, Manuela Outiti, Ines Filius, Eberhard Spitzbart, Harald Reimann, Werner Nowak und Werner Höltke
Vorne im Bild: Stadteilhistoriker Werner Nowak
Erste Reihe im Bild: Teilnehmende der Heimatwerkstatt. Jeder ist herzlich willkommen, jeweils am 1. Donnerstag im Monat im AWO-Stratehaus teilzunehmen. Wir freuen uns auf ihre Bilder und Geschichten.
Stadtteilhistoriker Werner Höltke und Margot Foest
Zurück zum Anfang