Ein Kirchspiel und seine historischen Wege rund um Oerlinghausen
Ein Kirchspiel ist nichts zum Spielen, sondern ein Pfarrbezirk. Ursprünglich bezeichnete ein Kirchspiel den Pfarrbezirk, in dem die Ortschaften einer bestimmten Pfarrkirche und deren Pfarrer zugeordnet sind. Um 1802 war ein Kirchspiel in historischen Ämtern, zugleich ein in Bauernschaften unterteilter Verwaltungsbezirk.
Oerlinghausen ist ein Ort mit fast tausendjähriger Geschichte und sein Kirchspiel, hatte einen großen Einzugsbereich und erhielt schon früh eine relativ große Kirche auf dem Berg. Historisch erstreckte es sich über vier selbständige Staaten, das Fürstbistum Paderborn, die Grafschaften Rietberg und Ravensberg und die Grafschaft Lippe.
Das Kirchspiel (parochia) war, eine nach dem Kirchenrecht gebildete Gemeinschaft, da alle Gläubigen eines topographischen Raumes einem Seelsorger zugeordnet waren. Ökonomisch trugen die Gläubigen durch Abgaben zum Unterhalt ihres Pfarrers bei und finanzierten zumindest teilweise den Bau und den Unterhalt der Kirche
Wie eng also wurde es mit dem »Pfarrzwang« gehalten in der spätmittelalterlichen Stadt Oerlinghausen?
Freuen sie sich auf einen historisch interessanten Vortrag in der Lipperreiher Kirche.
Über Jahrhunderte zogen sich die Kirch- und Leichwege, vorbei an Gehöften bis an die Hänge des Tönsberges, zur Oerlinghauser Alexanderkirche. Über den alten Lipperreiher Kirch- und Leichweg gingen die Bewohner im Umkreis des Bartholdskruges zum Gottesdienst nach Oerlinghausen und auch um ihre Toten zum Friedhof zu bringen, der sich bis 1860 rund um die Alexanderkirche befand.
Die Kirch- und Leichwege des ehemaligen Kirchspiels Oerlinghausen sind ein Beispiel für vergessene oder untergegangene Straßen und Wege. Auf den teilweise langen Wegstrecken wurden Nachrichten verbreitet und Neuigkeiten ausgetauscht. Spuren dieser sternförmig verlaufenden Wege lassen sich bis ins 9.Jahrhundert zurückverfolgen.
Veranschaulicht wird die Einzigartigkeit der Kirch- und Leichwege vom Ortshistoriker Wilfried Kohlmeyer, der sich vor allem mit der Komplexität ihres Verhältnisses zur damals weitflächigen Bürgerschaft auseinandergesetzt hat.
Am Donnerstag, den 13. Juni 2024 berichtet er um 18:00 Uhr in der Lipperreiher Kirche, anhand ausgewählter Beispiele – überblicksartig von der Einbettung der Kirche, als flächendeckend einzige offizielle Seelsorgeeinrichtung und dem dadurch institutionell-sozialen Verhältnis zur Bürgerschaft, im späten Mittelalter der Oerlinghauser Umgebung.
Seelsorge und sakramentale Versorgung durch die Kirche waren eine selbstverständliche Notwendigkeit, deren ausreichende Verfügbarkeit grundsätzlich Sache, des zuständigen örtlichen Pfarrers war. Die im Hochmittelalter ausgebildete großflächige Pfarreienstruktur wurde allerdings angesichts des Wachstums der Ortschaften immer stärker überfordert.
Mag die Notwendigkeit einer Ausweitung der seelsorgerischen Versorgung auch noch so einleuchtend gewesen sein, so standen ihr doch gewachsene Strukturen grundsätzlich entgegen.
Vor allem die Marktfunktion von Oerlinghausen, als Austausch von Waren, Informationen und Gedanken, zog zudem im Laufe der Zeit weitere differente Gruppen (Kaufleute, Einwanderer, Bauern) an, deren Hinzusiedeln für die Entstehung von getrennten Pfarreien relevant geworden sein könnte.
Zusätzlich zum Vortrag, findet dann am 04. Juli eine ca. 2stündige Wanderung der Lipperreiher Kirch- und Leichwege statt. Startpunkt ist um 15:00 Uhr an der Alexanderkirche in Oerlinghausen und endet an der Lipperreiher Kirche mit einem gemütlichen Beisammensein und leckeren Happen vom Grill. Die Heimatwerksatt Lipperreihe freut sich über viele Interessierte.